In Hamburg lernten die Kieler Klubgründer das Rudern – Der deutsche Verbandstag war eine Nummer zu groß
Kiel. Der Erste Kieler Ruder-Club bildet die Wurzel des Ruderns in Schleswig-Holstein. Am 24. März 1862 von Kaufleuten gegründet, blickt der EKRC exakt am morgigen Sonnabend auf seine 150-jährige Geschichte zurück.
Von Sven Hornung
Rockmusik dröhnt aus dem Bootshaus als Christian Prey einen riesigen Ordner aus dem Kofferraum seines Autos hievt. „Wir haben früher auch ordentlich auf den Putz gehauen, aber die Musik, die unserer Nachwuchs heute hört, das ist nicht mein Ding“, sagt Prey. Der 72-Jährige ist ein Teil der EKRC-Geschichte. 1962 holte er zusammen mit seinem Clubkameraden Peter Paustian im „Vierer ohne“ den Titel bei den Weltmeisterschaften in Luzern. Der größte sportliche Cluberfolg.
Von 1996 bis 2010 führte Prey als Vorsitzender die Geschicke des Vereins. Sein Ordner liest sich wie ein Lebenslauf. Darin hat er alle Zeitungsartikel akkurat eingeklebt. „Der EKRC ist mein zweites Zuhause“, sagt Prey.
Nach dem englische Kaufleute 1830 in Hamburg den „English Rowing Club“ gegründet hatten, folgten hanseatische Kaufleute dem britischen Vorbild sechs Jahre später mit der Gründung des ersten deutschen Ruderclubs. Nach zwei weiteren Vereinsgründungen waren es junge Kieler, die in der Berufsausbildung in Hamburg das Rudern lernten und in der Folge ab 1860 auf der Förde ruderten.
„Die Clubgründung des EKRC im Jahr 1862 war der nächste logische Schritt“, sagt Bernd Klose, der heutige Vereinschef. 1869 luden erstmalig der Norddeutsche Regatta Verein und der EKRC zu einer Ruderund Segelregatta, der Kieler Regatta, ein. Die Segler mussten sich hierfür drei Monate in der Ruderei ausbilden und es sich auch attestieren lassen. „Man kann dies als ein Vorläufer der Kieler Woche betrachten“, sagt Klose.
Schon ab 1880 nahm der EKRC auch an überregionalen Wettkämpfen teil. Insgesamt hat der Club 76 Medaillen auf nationalen und internationalen Meisterschaften gewonnen. Höhepunkte sind die errungenen Erfolge bei Weltmeisterschaften – vor allem im U19-Bereich: Martina Lorenzen, Dieter Leptin (beide 1977), Bettina Gau (1993) und Rona Schulz (2011) reihen sich ebenso in die Liste ein wie vormals Paustian und Prey im ABereich (1962). Zu den erfolgreichsten Ruderinnen und Ruderern von 1962 bis 2011 zählen Martin Lorenzen mit insgesamt 295 Siegen, Uwe Johannsen (291) und Gaby Schulz (280).
Christian Prey schlägt die Seite mit den Zeitungsausschnitten von der WM in Luzern auf. Er grinst. „Nach 1500 Metern kam plötzlich die zweite Luft, vielleicht war es auch die dritte“, erinnert sich Prey. „Die Österreicher konnten nicht mehr, aber die Franzosen blieben bis zum Ende hartnäckig an uns dran. Ich dachte nur: Reißen, ziehen, rollen – nur sauber raus, bloß keinen Krebs auf den letzten Metern fangen. Dann war alles vorbei, es tat nichts mehr weh, die Lunge pfiff nicht mehr, das Publikum jubelte. Es hatte gereicht – Sieg für Deutschland. Ich muss gestehen, das unheimliche Kribbeln, die Gänsehaut werde ich nie vergessen.“
Den Ehrgeiz hat er bis heute nicht verloren. Während seiner Amtszeit als EKRC-Präsident versuchte Prey die Basis mit neuem Leben zu füllen. Er sanierte das Clubhaus, sorgte sich um eine neue Gastronomie und förderte die Jugendarbeit. „Aber mit dem Club bis zum Tod verbunden zu sein, das gibt es heute nur noch ganz selten“, sagt Prey. „Heute Rudern, morgen Tennis, übermorgen Golf – das Problem ist ja allen Vereinen bekannt.“
Nicht nur deshalb hätte Prey gerne den Deutschen Rudertag im Jubiläumsjahr nach Kiel geholt. „Die Rudervereine hätten es verdient gehabt, so wären wir mal wieder in den Fokus gerückt“, meint Prey. Aber der Verwaltungsapparat eines Rudertages sei groß und für den EKRC-Festausschuss zu groß gewesen. Dennoch haben die Organisatoren gute Arbeit geleistet. „Und deshalb werden wir dieses Wochenende auf Teufel komm‘ raus feiern“, sagt Prey. „So wie damals, in der alten Clubhausruine.“
Club-Farben in die Welt hinaustragen
Mit dem EKRC-Vorsitzenden Bernd Klose sprach Sven Hornung
Wie sehen Sie den EKRC aktuell aufgestellt?
Natürlich müssen auch wir uns dem demografischen Wandel stellen. Um die Jugendarbeit weiter voranzutreiben, wollen wir mit den Schülerrudervereinen ins Gespräch kommen, vielleicht die Ausbildung einiger Talente übernehmen. Außerdem haben wir über dem Bootshaus aufgestockt und einen Sportraum eingerichtet. Ziel ist es, in der Winterpause ein attraktives Alternativprogramm anbieten zu können. Von den 325 Mitgliedern sind etwa 300 Aktive, 30 würde ich dem Leistungssport zuordnen. Erstmals werden wir dieses Jahr wieder die alte Kieler Regatta aufleben lassen.
Spielt der Leistungssportgedanke noch eine große Rolle?
Natürlich, die Aktiven tragen die Farben unseres Clubs in die Welt hinaus. Die jüngsten Erfolge von Claudia Mack und Rona Schulz sind aber nicht beliebig wiederholbar und stellen schon eine Ausnahme da. Zwar erhalten Talente bei uns die volle finanzielle Rückendeckung, aber die Bedingungen vor unserer Haustür sind nicht optimal. Die Förde vergrault den Sportlern manchmal den Spaß, technisch sauber zu rudern. Deshalb trainierte Claudia zuletzt in Preetz und Rona in Ratzeburg.
Sehen Sie aktuell Talente, die in die Fußstapfen von Schulz/Mack treten können?
Das ist schwierig, zu sagen. In unserer Leistungsgruppe gibt es sechs Nachwuchs-Ruderer in der Altersklasse 14 bis 16, die auch an den Projekten des Landesruderverbandes teilnehmen. Laut unserer Trainer verstehen sich die Jungs auch außerhalb des Sports hervorragend. Das haben wir erkannt und werden sie jetzt fördern. Ganz ehrlich, ich bin erst mal froh, dass sie überhaupt da sind. Alles andere muss sich entwickeln.
Quelle: Kieler Nachrichten, 23. März 2012