Nach dem tödlichen Unfall eines 13-Jährigen auf der Alster rücken Sicherheitsbestimmungen in den Brennpunkt
Kiel. Nach dem Unfalltod eines 13-jährigen Ruderers auf der Hamburger Außenalster wird der Ruf nach einer generellen Rettungswestenpflicht für den Rudersport laut. Erst vor wenigen Tagen hatte das Bildungsministerium des Landes einen neuen Erlass für den Sportunterricht verschickt. Der Ruderverband Schleswig-Holstein spricht von einem komplexen Thema und rechnet bundesweit mit neuen Sicherheitsbestimmungen.
Für die Rettungsschwimmer der DLRG steht fest: „Grundsätzlich raten wir jedem Wassersportler – ob Schwimmer oder Nichtschwimmer –, eine Rettungsweste zu tragen“, sagt DLRG-Landesgeschäftsführer Thies Wolfhagen. Dies betreffe neben Seglern auch die Ruderer. Wichtig sei dabei, dass die Rettungswesten „ohnmachtssicher“ sind, den Kopf eines Ohnmächtigen im Unglücksfall also über Wasser halten.
In Hamburg war vor knapp zwei Wochen ein Jugendlicher tödlich verunglückt, als er mit seinem Einmann-Ruderboot gekentert war und versucht haben soll, ans etwa 250 Meter entfernte Ufer zu schwimmen. Er trug keine Rettungsweste, seine Leiche wurde erst am vergangenen Wochenende entdeckt und geborgen.
„Ein Unfall mit solch schrecklichen Folgen wird sicher zu Veränderungen führen“, sagt Reinhart Grahn, Vorsitzender des Ruderverbands Schleswig-Holstein und Präsidiumsmitglied des Bundesverbandes. Seinen Angaben zufolge sind die Vereine bundesweit derzeit mitten in einer Diskussion über bessere Sicherheitsvorkehrungen auf dem Wasser. Bis zum kommenden Jahr sollen neue Richtlinien insbesondere für jugendliche Ruderer verabschiedet werden. „Etwas mehr Rettungsweste wird sicher kommen“, kündigt Grahn an. Derzeit obliege es den Vereinen, ob sie von ihren jungen Sportlern fordern, eine Rettungsweste zu tragen. Die Weste sei beim Training neben einem Rettungsboot in Sichtweite und dem Nachweis guter Schwimmfähigkeiten der jungen Sportler „nur ein Baustein im Sicherheitskonzept“, sagt Grahn. Entscheidender als eine generelle Rettungswestenpflicht seien die Bedingungen in den jeweiligen Revieren. Wassertemperatur, Wind, Strömungen oder natürliche Hindernisse im Wasser sollten von den jeweiligen Vereinen zum Beispiel im Internet veröffentlicht werden, damit sich ortsfremde Ruderer über die Gefahren informieren können.
Für die Ruderer seien Rettungswesten beim Sport eine Behinderung. „Dadurch, dass wir mit unseren Daumen immer dicht am Körper sind, sind zum Beispiel die Gurte der Westen eine Gefahr“, sagt Grahn. Wiederholt sei es in den vergangenen Jahren bundesweit zu Unfällen gekommen, nach denen sich Ruderer in ihren Westen verhakt hatten. Auch die automatischen Rettungswesten, die sich bei Kontakt mit Wasser selbst aufblasen, hätten ihre Tücken. So gebe es Berichte, wonach solche Westen Ruderer in ihren Booten eingepresst haben, so Grahn. Aber: Die Hersteller machen Fortschritte. So gebe es mittlerweile Rettungswesten, die fast ohne Gurte auskommen. Denkbar seien in einigen Jahren Modelle, die ähnlich wie Leibchen, flach am Körper getragen werden könnten.
Das Kieler Bildungsministerium will im Bereich des Schulsports, der Ruder-AGs sowie bei Klassenausflügen auf Nummer sicher gehen. Erst vor wenigen Tagen wurden überarbeitete „Sicherheits-Regeln zum Befahren von Gewässern für das Rudern als schulische Veranstaltung“ erlassen. Dort heißt es jetzt: „Bei Wassertemperaturen unter zehn Grad Celsius ist immer eine Schwimmweste anzulegen“. – Von Paul Wagner
Quelle: Kieler Nachrichten, 30. April 2013